Nennillo und Nennella
Märchen aus dem Pentamerone von Giambattista Basile
Ein Witwer hat zwei Kinder, einen Jungen namens Nenillo und ein Mädchen namens Nennella, die er über alles liebt. Als er jedoch nach der Trauerzeit wieder heiratet, vermag er sich nicht gegen seine neue Frau durchzusetzen, der es widerstrebt, die »Schreibälge« der Vorgängerin großzuziehen. Schließlich verlangt sie, die Angelegenheit ein für allemal zu beenden. Also führt sie der Vater in den Wald und lässt sie mit einem großen Korb voller Essen allein. Immerhin markiert er mit Asche den Weg nach Hause, damit sie heimlich kommen können, wenn es ihnen an etwas fehlt. In der Nacht bekommen die Kinder Angst und kehren nach Hause zurück. Die Stiefmutter gebärdet sich wie eine Furie, sodass der Vater die Kinder weinend an die Hand nimmt und sie wieder in den Wald zurückführt. Er sagt ihnen, dass er sie liebt, dass sie aber wegen der Stiefmutter nicht bei ihm leben können. Wieder hinterlässt er ihnen einen Korb mit Essen und markiert den Weg zum Haus, damit sie sich holen können, was sie brauchen.
Allerdings markiert er den Weg diesmal mit Kleie. Als die Kinder aufgegessen haben, was sich im Korb befand, und nach Hause gehen wollen, finden sie keine Spur, da ein Esel die Kleie weggefressen hat. Nun sind sie tatsächlich ganz auf sich gestellt und ernähren sich dürftig von Eicheln und Kastanien. Eines Tages macht der König Jagd in ihrem Wald. Das Bellen der Hunde macht den Kindern große Angst. Während sich Nennillo in einem hohlen Baum versteckt, läuft Nennella, was ihre kleinen Beine hergeben, und gelangt so bis zur Küste, wo sie von Seeräubern entführt. So gelangt sie in den Haushalt des als Schiffseigentümer getarnt lebenden Seeräuberhauptmanns, wo sie an Kindesstatt aufgenommen wird. Ihr Bruder Nennillo hingegen wird von den Jägern des Königs in seinem Versteck gefunden und an dessen Hof gebracht. Der gibt man dem hübschen Jungen feine Kleider und lässt ihm eine gute Erziehung angedeihen. Als er zu einem jungen Mann herangewachsen ist, hat er es zum Vorschneider gebracht (d.h., er schneidet vor dem Auftragen die Speisen schön zurecht). Zur selben Zeit wird entdeckt, dass der ehrbare Schiffseigentümer, in dessen Haushalt Nennella lebt, in Wirklichkeit ein Seeräuber ist. Als er versucht, mit den Seinen übers Meer zu fliehen, gerät sein Schiff in einen schweren Sturm und kentert. Fast alle ertrinken, nur Nennella wird von einem großen Fisch verschluckt. In dessen Bauch findet sie ein prächtig ausgestattetes Zimmer und lebt wie eine Prinzessin. Der Fisch schwimmt mit ihr zur Küste, wo der König mit seinem Hofstaat in der Sommerfrische ist. Als Nennella ihren Bruder bei der Arbeit erblickt, sagt sie einen Vers auf:
Mein Brüderlein, mein Brüderlein
Die Messer sind geschliffen fein,
Der Tisch gedecket nett und rein,
Doch schmerzt es mich gar bitterlich,
In diesem Fisch zu sein ohn‘ dich!
Der König fragt alle seine Bediensteten, ob sie eventuell eine vermisste Schwester. Alle verneinen, nur Nennillo erinnert sich vage, eine Schwester gehabt zu haben, von der er jedoch getrennt wurde, als er noch sehr klein war. Als er sich dem Fisch nähert, tritt ein schönes junges Mädchen aus dem Fischmaul: seine Schwester Nennella. Der König lässt nachforschen, in wessen Familie zwei Kinder passenden Alters vermisst werden. Der Vater, der seine Kinder längst tot glaubt, ist glücklich, sie wohlauf wiederzusehen — auch wenn ihm der König für sein Handeln ordentlich den Kopf wäscht. Die böse Stiefmutter aber spricht ihr eigenes Urteil: Gefragt, was man jemanden tun sollte, der zwei so schönen jungen Menschen etwas Böses antut, antwortet sei, diesen müsse man in ein Fass stecken und einen Berg hinunterrollen lassen. So geschieht es. Für Nennella und Nennillo wählt der König reiche Ehepartner aus, sodass sie und auch ihr Vater fortan ein sorgenfreies Leben führen können.